Normalerweise bin ich ein großer Fan von Deutschlandradio Kultur: www.dradio.de. Ich bin sehr dankbar, dass es noch ungedudelte Sender gibt, in denen Journalisten tatsächlich noch einige Minuten am Stück sprechen und Zusammenhänge schildern dürfen, ohne wegen Verhinderung von Werbespots verhaftet zu werden.
Nun aber haben mir in den letzten Tagen gleich zwei Beiträge wirklich die Schuhe ausgezogen. Der eine war ein Interview, das die Moderatorin Katrin Heise am 4.12. mit dem Bildungsforscher Rindermann führte. In diesem Interview vertrat dieser sogenannte Wissenschaftler die Meinung, es gebe genetisch bedingte Intelligenz-Unterschiede zwischen den „Rassen“, afrikanische Buschmänner seien dümmer als Weiße und Asiaten. Trotz einiger halbherziger Relativierungsversuche plapperte Herr Rindermann im Grunde den rassistischen Unsinn nach, den der US-Genetiker James Watson vor kurzem verbreitet hatte. Mir ist vollkommen rätselhaft, warum ein seriöser Sender wie Deutschlandradio sich ausgerechnet einen Mann als Interviewpartner aussucht, der – unkorrigiert von der Moderatorin! – mit einem „Rasse“-Begriff hantiert, der sich in Nazi-Nähe befindet und auch von den Naturwissenschaften längst wiederlegt wurde. Evolutionsgenetiker wie Luca Cavalli-Sforza haben immer wieder darauf hingeweisen, dass es „nur eine Rasse gibt – die menschliche“. Die Unterschiede in Hautfarben und Gesichtsformen sind höchst oberflächlich, und die genetischen Unterschiede innerhalb einer Ethnie sind viel größer als die zwischen den Ethnien.
Der zweite Beitrag von Kristin Raabe trug den Titel „Althergebrachte Muster – warum Menschen Kriege führen“, lief am 18.12. unter „Forschung aktuell“ und war auf der Website nachlesbar. Ich habe selten einen Text gelesen, in dem auf so wenig Raum so viele unhaltbare Thesen und ideologische Vor-Annahmen dargeboten wurden. Das fängt schon mit dem Bildchen über dem Artikel an: eine explodierende Rakete, darunter der apologetische Satz „Krieg liegt den Menschen im Blut“. Sodann erfahren wir, dass der israelische Wissenschaftler Azar Gat angeblich herausbekommen hat, in der Steinzeit seien viel mehr Männer gestorben als in heutigen Kriegen, sie hätten, ähnlich wie Tiere, vor allem um Nahrung und Zugang zu Frauen gekämpft. Auch im Zweiten Weltkrieg hätte „die Aussicht auf Sex viele Rekruten erst in die Armee“ gelockt. Und wo es viele junge Männer gäbe, da gäbe es halt Gewalt.
Im Grunde könnte ich jeden Satz dieses Artikels zerpflücken, aber dafür ist mir meine Zeit zu schade und der Aufwand zu groß. Jedenfalls hat sich die Autorin nicht die geringste Mühe gegeben zu reflektieren, was sie da überhaupt schreibt. Es gab in der Geschichte der Menschheitsentwicklung viele hunderttausend Jahre ohne Krieg – nicht jeder Kampf zwischen Menschengruppen ist gleich Krieg! – , und auch heute noch existieren vollkommen friedliche Stammesgesellschaften – nachlesen unter www.peacefulsocieties.org, einer Website, die von der US-Friedensforscherin Elise Boulding initiiert wurde.
Der Wissenschaftler und die Redakteurin wollen uns weismachen, dass Kriege unvermeidlich und junge Männer nur auf Gewalt und Vergewaltigung aus sind. Kriege Das ist durch und durch männerfeindlich und menschenfeindlich. Aber es erspart natürlich die mühsame ethnologische, politische und sozioökonomische Analyse, welche menschliche Interessensgruppen wann, wo, wie und warum Kriege betrieben haben.