Ministerium für Wahrheit und Liebe in Afghanistan
Karim Khoram hat sich als afghanischer Minister für Information, Kultur und Tourismus einen Namen gemacht. Und was für einen! Halb Afghanistan lacht über diesen Minister-ohne-jede-Information-und-Kultur, seit er an seinem Ministerium die Schilder auswechseln ließ. Der Paschtune hatte die Wörter für „Kultur“ und „Tourismus“ in der afghanischen Verkehrssprache Dari für persische Lehnwörter gehalten und deshalb ausmerzen lassen. In Afghanistan spricht man Dari und nicht Persisch!, ließ er verkünden. Dabei weiß jedes afghanische Kind, sofern es die Chance eines Schulbesuches hat, dass Dari und Farsi (Persisch) zwei Dialekte ein und derselben Sprache sind. In Khorams Muttersprache Paschtu gibt es allerdings tatsächlich kein Wort für Kultur, und das sei angesichts solcher Ausgeburten wie Khoram ja auch kein Wunder, höhnt man nun auf afghanischen Websites (siehe auch www.kabulpress.org).
Schon weit weniger witzig ist, dass unter „Informations“minister Khoram immer mehr Journalisten aus den abenteuerlichsten Gründen verfolgt werden. In Masar-i-Scharif ließ der Minister den Fernsehdirektor, den Pressedirektor und einen lokalen Fernsehjournalisten entlassen, weil sie die Wörter „Student“ und „Universität“ auf persisch geschrieben bzw. gesprochen hatten. Der jüngste Fall ist besonders krass: Im Januar verurteilte ein Gericht in der Provinz Balkh den 24-jährigen Journalisten Parwiz Kambakhsh zum Tode, weil er islamkritische Artikel verteilt habe. Das Verfahren war nach Einschätzung verschiedener Menschenrechtsorganisationen extrem unfair und ein Fall von Sippenhaft: In Wirklichkeit sollte offenbar sein Bruder getroffen werden, Berichterstatter des in London ansässigen „Institute for War and Peace Reporting“. Der Minister selbst ließ erklären, das Verfahren sei keineswegs ein Verstoß gegen die Pressefreiheit. So etwas lässt sich leicht behaupten, wenn man nicht die mindeste Ahnung hat und auch nicht haben will, was Pressefreiheit überhaupt bedeutet.
Um die kulturellen Kenntnisse von „Kultur“minister Khoram ist es ähnlich bestellt. Ein engagierter Sammler von Fundstücken der früheren hochentwickelten Kulturen in Afghanistan wollte seine kostbaren Schätze in der Zitadelle von Herat ausstellen, doch der Minister verbot es ihm mit dem Argument, er habe durch seine Aufkäufe von Antiquitäten Plünderer unterstützt. Ein typischer Fall von Projektion: Khoram ist Mitglied der radikalislamistischen Partei Hisb-e-Islami. Deren langjähriger Führer Gulbuddin Hekmatyar gilt als einer der schlimmsten Massenmörder Afghanistans, während des Bürgerkriegs der Mudschaheddin war er und seine Partei mitverantwortlich für Massaker und Massenvergewaltigungen, für die Zerstörung Kabuls mit rund 60.000 Toten und die Plünderung seiner Kulturschätze.
Und so einer ist also heute Minister für Desinformation und Unkultur. Entschuldigung, das darf man natürlich nicht sagen. Wie wäre es denn – eingedenk des „Ministeriums für Wahrheit“ in Orwells berühmten Roman „1984“ – mit „Minister für Wahrheit und Liebe“?
P.S.: Übrigens hat der famose Minister auch eine Galerie in „Gallery“ umbenennen lassen, weil er das Dari- bzw. Farsi-Wort „Negarestan“ (Bilder-Ort) für „unislamisch“ hielt. Das englische Wort „Gallery“ ist also islamisch? Wenigstens diese absurde Entscheidung hat das afghanische Kabinett inzwischen aufgehoben.