Tor(en) der Freiheit
Es gibt Momente, da erlebt man Berlin als Fleisch und Stein gewordene Utopie. Solch ein Moment spielte sich in den Pfingsttagen vor dem Brandenburger Tor ab, das schon so viele Szenen deutsch-militaristischen Größenwahns erlebt hat. Offenbar hatten sich dort alle Verrückten dieser Welt verabredet – zum denkbar friedlichsten Stelldichein. Rechts vom Tor, begleitet von Trommelschlägen, bogen goldfarben gekleidete Mädels von Falun Gong ihre Knochen zum Lotussitz und demonstrierten gegen den chinesischen Kommunismus – oder was von ihm übrig blieb. Links dankte die FDJ – oder was von ihr übrig blieb – für die Befreiung am 8. Mai 1945 lautstark den Sowjets – oder was von ihnen übrig blieb. In der Mitte der Szene demonstrierte ein Sensenmann in einer Gruppe von Hertha-Fans – für was eigentlich, für den Abstieg von Hertha? Dahinter bauten sich für ein Gruppenfoto grünuniformierte Volksarmisten auf – oder was von ihnen übrig blieb. Und dann – „Indianer!“, schrie mein Begleiter. Fünf Stück, in voller Kriegsbemalung. Sie legten ihre Pfeile an – ich fiel sterbend vom Rad. Vor Lachen.