Erneut haben gestern Hunderttausende protestiert, in der Hauptstadt und in insgesamt 230 Städten und Gemeinden. Sie sind wütend und zornig, sie fordern „Würde und Freiheit“, sie verlangen den Rücktritt des autoritären Herrschers, sie kämpfen „für die Würde der Frauen“. „Erst Mubarak, dann Silvio!“, schreien sie. Auch wenn es wenig wahrscheinlich ist: Hoffen wir, dass Bordellusconi, dieser Schwanz auf zwei Beinen, endlich geht und Italien befreit wird.
Blog
Schuhsohlenzeigen hat gewirkt!
Mubarak ist abgetreten! Großartig! Das ägyptische Volk hat mit seinem mutigen und bewundernswerten Aufstand gezeigt, dass gewaltfreie Revolutionen möglich sind – auch dann, wenn die Gegenseite zu Gewalt greift. Ob wohl das kollektive Schuhsohlenzeigen auf dem Tahrirplatz der letzte Anstoß für den Abgang des Pharao war?
Schuhsohlen für Mubarak
Wunderbar, wie die Leute auf Kairos Befreiungsplatz kollektiv ihre Schuhsohlen gegen den Diktator Mubarak hochhielten!, als dieser ihren Freiheitswillen mit einer nichtssagenden Rede beleidigte.
Übrigens haben Forscher der Princeton University ein flexibles Material für Schuhsohlen entwickelt, das die mechanische Energie der Füße zu achtzig Prozent in elektrische Energie umwandelt. Es handelt sich um ein gummiartiges Sandwich aus Silikon und weiteren Stoffen, die unter mechanischem Druck eine Spannung aufbauen. Diese Spannung lässt Strom fließen. Irgendwann werden wir also beim ganz alltäglichen Gehen nutzbare Elektrizität erzeugen.
Aber vielleicht ist es ganz gut, dass die Ägypter solche Schuhe noch nicht tragen. Ihr Zorn hätte sonst den ganzen Tahrirplatz unter Strom gesetzt.
Frauen fördern heißt Kriege verhindern
Am 20.Februar erscheint im Westend Verlag das von taz-Chefredakteurin Ines Pohl herausgegebene Buch „50 Vorschläge zur Veränderung der Gesellschaft“, für das ich zusammen mit Mathias Bröckers und Jürgen Gottschlich die Redaktion gemacht habe. Hier ein Auszug aus einem meiner darin veröffentlichten Beiträge:
„Wo Frauen das Sagen haben, geht es auch den Männern besser“, behaupten zunehmend auch Männer. Zum Beispiel Ricardo Coler, ein argentischer Reporter. Bei der chinesischen Minderheit der Mosuo gebe es weder Ehen noch Kleinfamilien und Gewalt, dafür viele Freiheiten für Frauen und Männer, berichtet er in seinem Buch „Das Paradies ist weiblich“. Maos Kommunisten hatten die Musuo-Männer vom Leben in der mutterzentrierten Großfamilie abbringen wollen – sie weigerten sich.
Ähnlich sah es bei den Semai aus, die bis in die 1980er Jahren unberührt im tiefsten Dschungel von Malaysia lebten. Ethnologen berichteten, die Semai seien das friedlichste Völkchen der Erde, sie kennten keinen Statusunterschied zwischen Frauen und Männern, keine Aggression oder sexuelle Gewalt, auch keinen Staat, kein Privateigentum, keine Hierarchien. Ehen würden auf Zeit geschlossen, außereheliche Beziehungen sähen die Semai als „ein Ausleihen“. Konflikte würden in langen Palavern gelöst. Die Semai sagten über dieses Verfahren: „Es gibt mehr Gründe, einen Disput zu fürchten als einen Tiger.“
Von insgesamt 25 friedfertigen Gesellschaften, die die US-Friedensforscherin Elise Boulding auf www.peacefulsocieties.orgvorstellt, sind 19 geschlechteregalitär: Der Status von Frauen und Männern unterscheidet sich nicht. Es existiert offenbar ein enger Zusammenhang zwischen Statusgleichheit und Friedensfähigkeit. (…)
Statusunterschiede können umgekehrt leicht zu innerer und äußerer Gewalt führen, das weiß man auch von der Unterdrückung ethnischer oder religiöser Minderheiten. Der Geschlechterstatus aber ist ein strategisches Schlüsselelement, weil die konkrete Erfahrung von Gleichheit oder Ungleichheit oder gar Gewalt zwischen Eltern schon bei kleinen Kindern die Spur bahnt, ob sie in ihrem späteren Leben egalitär-gelassen oder autoritär-aggressiv mit allen „Anderen“ umgehen.
Marx hat mit einem schönen Spruch das ganze Elend des Geschlechterkampfs auf den Punkt gebracht – nein, nicht Karl, sondern Groucho Marx. Der Komiker sagte zu einer Dame, die sich seinem Sitzmöbel näherte: „Madam, ich würde ja meinen Sitz für Sie aufgeben, wäre da nicht die Tatsache, dass ich selbst darin sitzen würde!“ Männer wollen Machtpositionen nicht gern abgeben, obwohl es ihnen selbst nützen würde.
Wie gemein: Randalierende Wildsau wird verwurschtet
So eine menschliche Sauerei ohnegleichen! Da hat ein offenbar hochintelligentes Wildschwein aus dem Westerwald genau erkannt, was sich hinter den heuchlerisch-fröhlichen Schweinebildchen auf einer Metzgerei in Höhr-Grenzhausen verbirgt. Kurz entschlossen nahm es Anlauf, drückte die Eingangstür ein und attackierte die Fleischtheke. Die Fleischverkäuferin flüchtete, eine Kundin ebenfalls. Der Keiler wusste anscheinend genau: Hier geht es um die Wurscht!
Und die Gemeinheit ist: Nun wird er zur derselben verarbeitet.
Die Vereinigung der Vegetarier Deutschlands hat es leider verpennt, dieser armen Sau rechtzeitig die Goldmedaille für mutigen Tierschutz zu verleihen. Stattdessen wurde das Wildschwein von einem Jäger erschossen. Friede seiner Wurst und seinen Schnitzeln.
Noch mehr gute Nachrichten
Zum dritten Mal haben wir in der heutigen „Sonntaz“ auf 13 Sonderseiten ausschließlich gute Nachrichten veröffentlicht – diesmal Erfolgsgeschichten und vielversprechende Projekte aus der Provinz. (Links zu den beiden ersten Ausgaben weiter unten in meinem Blog) Hier geht es zur Übersicht, hier zu meinem Artikel über die „Powerpflanze“ Madeleine Porr bzw. Amaranth, hier zu meinem Feature über Terra-Preta-Pionierprojekte im Schweizer Wallis und im pfälzischen Hengstbacherhof, hier zu Annette Jensen Reportage über Regiogeld, hier zu Stephan Koschs Interview mit Joachim Sikora, dem Vordenker des „regionalen Aufbruchs“. Nicht alle Artikel stehen im Internet, weitere sind in der Printausgabe zu finden.