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Ute Scheub

Ute Scheub

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Gute Nachrichten

13. Oktober 2010 by Ute Scheub

Weil die Medien voll von schlechten Nachrichten sind, produziere ich immer wieder sehr bewusst gute Nachrichten. Am 31.Oktober 2010 um 13:25 Uhr wird unsere Website visionews online gehen – mit Visionen, Erfolgsgeschichten und guten Nachrichten.

Um 13:25 Uhr deshalb, weil es um die Umsetzung der UN-Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit gehen wird, die an jenem Tag zehn Jahre alt wird. Diese Resolution des Sicherheitsrates ist keineswegs eine „Frauenresolution“, und bei ihrer Umsetzung geht es auch nicht um Political Correctness. Sondern um ein Schlüsselelement in der internationalen Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik, wenn es darum geht, Kriege und Gewalt zu verhindern und Friedensprozesse nachhaltig und effizient zu gestalten.

Dies kann man auch in der von mir mitkonzipierten Ausstellung sehen, die derzeit vor der Nase des UN-Sicherheitsrats in New York und demnächst in Berlin und Bern zu sehen sein wird. Hier ein Artikel darüber.

Kategorie: Blog

Sarrazynische Lizenz zum Hassen

25. September 2010 by Ute Scheub

Seit Wochen hat die Nation nix Besseres zu tun, als über Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ zu debattieren. Angeblich deshalb, weil es hierzulande so viele integrationsunwillige Moslems gibt.

Eine kleine Minderheit von Islamisten schottet sich tatsächlich ab. Aber das erklärt in keiner Weise die ungeheure Resonanz auf das Buch. Ich halte die massenhafte Zustimmung zu den sarrazynischen Tiraden vielmehr für eine traurige Bestätigung der Grundthese in meinem Buch „Heldendämmerung“, dass die Angst vieler Männer vor Statusverlust schnell in Hass, Aggression und Gewalt umschlagen kann. Ihre Statuspanik entsteht durch den Bildungsaufstieg der Frauen und – im Falle von Deutschland – auch durch die einer entstehenden migrantischen Mittelschicht.

Der Salonrassist Sarrazin ist auch ein Salonsexist, denn er ergeht sich in einer klassischen Männerfantasie: Er will die Geburtenzahlen von Frauen steuern. Die der deutschen Elite sollen hoch- und die der ausländischen, vor allem der muslimischen Unterschicht, sollen runtergehen. Noch präziser: Er will so viele Frauenkörper wie möglich kontrollieren. Frauen sollen seine Vorstellungen, wie die Welt zu sein hat, zu Diensten sein. Das ist eine sexistische und egomanische Wahnvorstellung, die schon viele Populisten, Rassisten und Fundamentalisten dieser Welt befallen hat.

Und dafür bekommt Sarrazin rauschenden Applaus von all jenen Männern, die sich durch Wirtschaftskrise und weibliche Konkurrenz in ihrer Identität zutiefst bedroht fühlen. Die, weil sie sich stets nach oben orientieren, nach unten hassen. Dass ein „Elite“-Mann wie Sarrazin gegen Moslems zu Felde zieht, gibt ihnen die Lizenz zum Loslassen ihrer niedrigsten Instinkte: Wenn der das darf, dann dürfen wir auch!

Seit Wochen quellen die Bloggs des Internet über von massivsten Pöbeleien und Gewaltfantasien. Die Webmaster kommen kaum mehr nach, die schlimmsten Kommentare zu löschen. Mir kann niemand erzählen, dieser Hass erkläre sich dadurch, dass bestimmte moslemische Jugendliche die Schule nicht schaffen.

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Held des Rückzugs

20. Juni 2010 by Ute Scheub

Ein mexikanischer Matador ist Mitte Juni während eines Stierkampfes aus der Arena geflohen. Er hüpfte über ein Absperrgitter, um einem angriffslustigen Stier zu entgehen. „Das ist nicht mein Ding“, erklärte der 22-jährige Christian Hernández später in einem TV-Interview. Er kündigte an, sich einen anderen Beruf suchen zu wollen.

Im Gegensatz zu den Kriegshelden, die ich in meiner „Heldendämmerung“ portraitiere, halte ich diesen jungen Mexikaner für einen wahren Helden. Er hatte den Mut, dem Gejohle der Menge zum Trotz nicht länger sinnlos das eigene Leben zu riskieren und mit einem ebenso stumpfsinnigen wie tierquälerischen Beruf zu brechen. Ein Held des Rückzugs, der die Courage hat, sich der öffentlichen Meinung entgegenzustellen. !Bravo, Senor Hernández!

Gemeinerweise sah die Polizei das anders. Kurz nach seinem Abgang nahm sie meinen Helden wegen Vertragsverletzung fest. Gegen Zahlung einer Geldbuße wurde er dann wieder freigelassen.

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Eine Blume, verwelkt

17. Mai 2010 by Ute Scheub

Afghanistan: Die erst 23 Jahre alte Provinzabgeordnete Gul Makay Wakili wurde bei einem Taliban-Angriff in der Provinz Nimros getötet. Eine von zahllosen Aktivistinnen, die ihr Leben lassen mussten.

Sie war schön und klug, sie hatte Humor, sie strahlte Optimismus aus und wollte beim Wiederaufbau ihres Landes helfen. Jetzt ist Gul Makay Wakili tot. Die erst 23 Jahre alte Abgeordnete des Provinz-Rates („Schura“) im südwestafghanischen Nimros wurde am 5. Mai bei einem Talibanangriff getötet.

Als ich Gul Makay Wakili im Jahre 2004 kennenlernte, war sie erst 17 und Schülerin der 12. Klasse des Mädchengymnasiums in der Provinzhauptstadt Saradsch. Ihre auffallenden grünen Augen funkelten vergnügt unter dem hellgrünen Kopftuch, als wir sie zusammen mit anderen Schülerinnen zum Gespräch baten. Gul berichtete, sie wolle „Journalistin und Literatin“ werden. Obwohl sie noch kein Abitur hatte, war sie selbst schon als Aushilfslehrerin tätig, unterrichtete morgens vor Schulbeginn Englisch und bildete sich nachmittags am Lehrerkolleg weiter.

Sie war eins jener jungen afghanischen Mädchen, die unglaublich hart arbeiten, weil sie wissen, dass Bildung die einzige Chance für sie und für ihr Land ist. Sie sind auch deshalb so fleißig, weil die wenigsten das Privileg einer höheren Bildung erlangen. Nicht mal als ein Drittel aller afghanischen Mädchen werden eingeschult, noch viel weniger machen Abitur. Und wo sie zur Schule gehen, werden sie bedroht. In Kundus griffen islamistische Kämpfer Ende April und dann nochmals Mitte Mai mehrere Mädchenschulen mit süßlich riechendem Giftgas an, mindestens 80 Schülerinnen und mehrere Lehrkräfte mussten ins Krankenhaus. „Ich war in meiner Klasse und dachte, ich rieche eine Blume“, berichtete ein Mädchen namens Sumaila. „In diesem Moment sah ich, wie meine Klassenkameradinnen und mein Lehrer hinfielen.“ Es war die fünfte Gas-Attacke innerhalb eines Monats in Afghanistan.

Gul und ihre Freundinnen berichteten uns damals über die Zeit unter den Taliban. Frauen und Mädchen durften die Häuser nicht verlassen, und „unsere einzige Beschäftigung war, iranisches Fernsehen zu gucken.“ Das staubige Provinznest Sarandsch, nur wenige Kilometer von der Grenze zu Iran entfernt, bezieht Strom und Fernsehbilder aus dem Nachbarland. Lachend erzählten die Schülerinnen von ihren Tricks, wie sie die Koranschüler narrten: „Wir wurden einmal beim Fernsehen erwischt, und die Taliban wollten das Gerät beschlagnahmen. Meine Cousins bauten ganz schnell die Innenteile aus und gaben ihnen das nackte Gehäuse mit. Sie haben es nicht bemerkt.“ Gul Makay kommentierte: „Wenn wir Afghanen uns einigen würden, dann könnten wir eine gute Gesellschaft aufbauen. Aber wenn wieder alle um die Macht kämpfen, wäre das schrecklich, und die Taliban kämen vielleicht wieder. Die Angst ist latent da. Deshalb brauchen wir eine Regierung der nationalen Einheit.“

Sie trat deshalb selbst als Kandidatin an, als 2005 Parlament und Provinzräte zur Wahl standen. Ein Viertel der Sitze war für Frauen reserviert, im Falle von Nimros gar drei von neun Posten. Und Gul, deren Namen auf Dari „Blume“ bedeutet, die politisch nicht festgelegt war, die mit allen gut konnte, wurde gewählt. Wieder arbeitete sie viel und hart, und, was neu und ungewöhnlich war: In einem Rechenschaftsbericht machte sie transparent, was die Provinz-Schura getan habe und noch zu tun gedenke. Auch das machte sie beliebt.

Nimros ist ein besonderer Flecken. Neben dem legendären Pandschirtal ist es die einzige Region von Afghanistan, die weder von den Sowjets noch von den Taliban jemals ganz erobert wurde. Das lag an der „Nimrosfront“, einer Widerstandsgruppe aus verfolgten Demokraten, die sich einem „dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus verschrieben hatte und den politischen Islamismus ablehnte. Als die Taliban Ende 2001 abzogen, übernahmen ihre Veteranen die Provinzregierung. Bis ungefähr 2005 war Nimros die sicherste afghanische Provinz. Auch die Frauen lebten dort ein wenig besser, kaum eine trug die Burka, und die örtliche Regierung ließ – einmalig in ganz Afghanistan – koedukative Schulen errichten. Auch Gul profitierte von den Bemühungen der lokalen Machthaber um Mädchenbildung.

Die Provinzregierung tat intuitiv das Richtige, obwohl sie keine Kenntnis hatte von den Studien der Weltbank, der Kinderhilfsorganisation Plan International oder der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, die allesamt zum Ergebnis kommen, Mädchenbildung sei der zentrale Entwicklungsfaktor. Sie verringe die Armut und treibe die Gleichstellung der Geschlechter an, senke die Fruchtbarkeitsrate der Menschen und steigere die der Felder. Gebildete Frauen hätten weniger Kinder, ernährten diese besser und kümmerten sich mehr um ihre Gesundheit und Bildung. Wie um das zu bestätigen, gaben Gul Makay und ihre Freundinnen kund, sie wollten „nicht so schnell heiraten“. „Wir wollen Selbstbestimmung“, forderte Gul.

Umgekehrt gilt: „Attacken auf Mädchenschulen sind Teil der Langzeitstrategie der Taliban, die Gesellschaft in dunkle Zeiten zurückzustoßen“, schreibt der indische Konfliktforscher D. Suba Chandran. „Welchen besseren Weg gibt es, eine Gesellschaft von Ungebildeten heranzuzüchten, als die Mädchenerziehung zu stoppen?“ Doch nicht nur die Koranschüler, auch etliche Warlords der Regierung Karsai betreiben eine „Geschlechtersäuberung“ des öffentlichen Raumes. Politikerinnen, Journalistinnen und Frauenrechtlerinnen werden bedroht, außer Landes getrieben oder ermordet. Wie nun auch Gul Makay.

Seit US-Truppen die Taliban in Helmand bekriegen, werden diese zunehmend in die Nachbarprovinz Nimros getrieben. Provinzgouverneur Gholam Dastegir Asad beklagte sich in Kabul, diese Art von Kriegführung verlagere die Probleme nur, doch weitere Schutzmaßnahmen wurden ihm verweigert. Und dann kam der Angriff der Taliban am 5. Mai, der bislang schlimmste in Nimros. Neun schwer bewaffnete Kämpfer versuchten die abgeschirmten Regierungsgebäude zu stürmen. Afghanische Sicherheitskräfte schossen zurück, die Angreifer verschanzten sich in Privathäusern, die Schießereien dauerten stundenlang. Das Gebäude des Provinzrates, in dem Gul sich mit ihren zwei Kolleginnen aufhielt, war schlechter abgesichert, die Taliban drangen ein, die beiden anderen Frauen konnten fliehen, doch Gul Makay Wakili gelang das nicht mehr.

Am Ende waren mindestens zwölf Menschen tot: die Provinzrätin und mindestens zwei Sicherheitskräfte, aber auch ihre Mörder. Alle neun Attentäter, von denen acht aus Pakistan stammten, wurden nach Angaben des örtlichen Polizeichefs Dschabar Purdeli von Sicherheitskräften erschossen oder starben bei der Detonation ihrer Sprengstoffwesten. Der afghanische Präsident Hamid Karsai verurteilte die Aktion. Anders als üblich nannte er Gul Makay sogar namentlich und sprach ihrer Familie sein Beileid aus. Sie sei eine „fleißige Frau“ gewesen, die für ihr Land viel getan habe. Afghanistan hat eine Hoffnungsträgerin weniger.

Kategorie: Blog

Terra Preta – die Graswurzelrevolution

3. April 2010 by Ute Scheub

Der folgende Artikel erschien in der Osterausgabe der taz. Hier die Originalfassung.

Die Schwarzerde Terra Preta hat das Potenzial, mehrere Krisen gleichzeitig zu meistern: die Klimakrise, die Hungerkatastrophe und die Hygienemisere in Slums. Und das alles ohne Großkonzerne, sondern in einer Agrarrevolution von unten. Ute Scheub besuchte einen ihrer Wiederentdecker, den Bodenkundler Haiko Pieplow, am nördlichen Rand von Berlin.

Haiko Pieplow greift in einen seiner Pflanzkübel und lässt die laut Bodenanalysen fruchtbarste Erde der Welt durch die Finger krümeln. Der promovierte Bodenkundler wird dabei malerisch umrahmt von Narzissen und mediterranen Gewächsen, die aus dem Boden seines Wintergartens am Rande von Berlin wachsen. Terra Preta (siehe Kasten) könne Abfälle in Rohstoffe umwandeln und damit eine echte regionale Kreislaufwirtschaft initieren, erläutert der Agraringenieur. Weltweit angewandt, sei sie in der Lage, rund 20 Prozent des Kohlendioxids aus der Luft holen und damit Böden dauerhaft fruchtbar machen. Der Treibgasausstoß würde damit entscheidend verringert und gleichzeitig der Hunger bekämpft. Schwarzerde – hergestellt von Landwirten und Kleinbäuerinnen, Hobbygärtnern und Slumbewohnerinnen – könne eine buchstäbliche Graswurzelrevolution auslösen.

Terra Preta do Indio, so lautet der portugiesische Name für die Schwarzerde aus dem Amazonas, die erstmals von früheren Indiokulturen angelegt wurde. Deutschen Wissenschaftlern, darunter Haiko Pieplow, gelang es ab 2005, ihren Herstellungsprozess experimentell wiederzuentdecken. Im Frühjahr ist in Pieplows Garten und Wintergarten noch nicht viel von den Effekten zu sehen. Aber im Sommer, berichtet der Familienvater, sei hier alles zugewuchert. Hinter der südlichen Glaswand seines raffiniert gebauten und raffiniert belüfteten Passivenergiehauses züchtet er Tomaten, Weintrauben, Guaven, Feigen und Granatäpfel, im Garten gedeihen Obst und Gemüse aus unseren Breitengraden. Ein Hauch von Paradies durchzieht das ganze Grundstück. Wie Pieplow durch das Haus führt und all die Behälter zeigt, in denen Abfälle wiederverwertet werden – Essensreste, Holzspäne, Brauchwasser, Kot, Urin -, da wirkt er wie ein moderner Alchemist, der aus Exkrementen Gold macht – schwarzes Gold.

Alchemie, erster Eimer: ach du heilige Scheiße
Im holzverkleideten Badezimmer steht neben dem Wasserklosett für die Gäste ein weißer Behälter, daneben ein Pott feine Holzkohle. Die luftdicht verschlossene Trockentrenntoilette. Dass sie nicht stinkt und nicht einmal ansatzweise müffelt, ist der Holzkohle zu verdanken, die das Ehepaar Pieplow nach jeder Benutzung per Schäufelchen drüberstreut. „Wichtig ist, Kot und Urin zu trennen“, erklärt der Hausherr und zeigt zwei Pipi-Behälterchen, die der männlichen und weiblichen Anatomie angepasst sind. Urin enthält sehr viel Stickstoff und wertvollen Phosphor, der sich jedoch bei der Herstellung der Terra Preta negativ auswirkt. Pieplow bewahrt sein „Goldwasser“ auf, es dient ihm zehnfach verdünnt in der Vegetationszeit als „ausgezeichneter Dünger“.

Und die Scheiße? Es heiße doch überall, dass es gefährlich sei, menschliche Exkremente auf Äcker aufzubringen? Kot sei ein Wertstoff, klärt er auf. Um dazu zu werden, müsse er jedoch mindestens ein halbes Jahr richtig behandelt werden. Er zitiert den Künstler und Visionär Friedrich Hundertwasser: „Natürlich ist es etwas Ungeheuerliches, wenn der Abfallkübel in den Mittelpunkt unserer Wohnung kommt und die Humustoilette auf den schönsten Platz zum Ehrensitz wird. Das ist jedoch genau die Kehrtwendung, die unserer Gesellschaft, unsere Zivilisation jetzt nehmen muss, wenn sie überleben will.“

Wer Terra Preta produzieren wolle, könne das aber auch ohne Kotverwertung tun, stellt Pieplow klar. Holzkohle, Küchen- oder Gartenabfälle genügten völlig. Doch für die Bewohner von kanalisationslosen Slums in südlichen Ländern sei die neue Toilette perspektivisch ein Segen. „Jeder kann sprichwörtlich sein kleines Geschäft damit machen, Terra Preta herstellen und gleichzeitig teure Abwassergebühren sparen.“ Und er berichtet davon, dass schon die alten Römer Götter der Abfallverwertung angebetet haben: Stercutius, den Gott des Kotes, Crepitus, den Gott des Abwindes, und Cloacina, die Göttin der Abzugskanäle.

Alchemie, zweiter Eimer: Kohl und Kohle
Im Wirtschaftsraum steht ein roter Plastikeimer mit Küchenabfällen und Holzkohle, einige Lagen darunter auch das Kotgemisch. „Sechs Euro hat der gekostet“, sagt Haiko Pieplow und hebt den Deckel hoch. „Riechen Sie was?“ Nein, genauso wenig wie auf dem Örtchen. Die Abfälle, erklärt er, müssten luftdicht abgeschlossen und gepresst werden („Bokashi“), damit die Milchsäurevergärung beginne. Die dafür nötigen Mikroorganismen könne man kaufen, aber im Prinzip seien sie auf Obst und Gemüse ausreichend vorhanden. Auch die – möglichst feine – Holzkohle könne man entweder erstehen oder selbst produzieren. Er selbst stellt eine Dose mit Sägespänen über Nacht in seinen Kamin, am nächsten Morgen sind die Späne geröstet und die Biokohle fertig. „Man kommt von selbst auf die richtigen Ideen, wenn man den ersten Sack Grillkohle zerkleinert hat und schwarz wie ein Schornsteinfeger ist“, sagt er schmunzelnd.

Alchemie, dritter Eimer: Würmer satt
Haiko Pieplow führt in den Garten, dorthin, wo nach etwa einem halben Jahr auch das Bokashi-Gemisch landet: zu den Kompostbehältern. „Erst in den Mägen der Regenwürmer und Kompostbewohner entsteht die Schwarzerde“, erklärt er. Ist Terra Preta also Regenwurm-Sklaverei? „Nein“, lächelt er. „Eher eine Symbiose. Wir füttern sie ja gut. In unserem Kompost gibt es regelrechte Wurm-Nester.“

„Holzkohleverwendung und Milchsäurevergärung sind weltweit bekannte uralte Verfahren, die niemand patentieren kann. Das Neue daran ist, dass man beides zusammenbringt“, erklärt der Agraringenieur. Bisher hätten nur die Indios dieses Geheimnis gekannt.

Deshalb kann kein Großkonzern die Herstellung monopolisieren. Einige kleine Firmen, mit denen Haiko Pieplow teilweise zusammenarbeitet, bieten die Zutaten an, aber man kann genauso selbst experimentieren, um Terra Preta herzustellen. Er hofft deshalb auf die weltweite Kreativität von Kleinbauern und Hobbygärtnerinnen, um die Graswurzelrevolution zu starten.

KASTEN
Das ist Terra Preta
Im Jahr 1542 befuhr der spanische Conquistador Francisco de Orellana den Amazonas, um das legendäre El Dorado zu suchen. Er berichtete von riesigen Städten an seinen Ufern, in denen Millionen Indios lebten. Da spätere Expeditionen nichts mehr fanden, glaubte man lange, Orellana habe gelogen. Dem Spanier entging indes, dass er tatsächlich ein El Dorado gefunden hatte: eine Kultur, die auf dem „schwarzen Gold der Erde“ basierte. Das Wissen um die Herstellung der Indianer-Schwarzerde, die anders als der nährstoffarme Regenwaldboden sehr fruchtbar ist, ging jedoch mit der Ausrottung der Ureinwohner verloren und gelangte erst in den 1990er Jahren in den Fokus von Forschern. Die uralten, teilweise meterdicken Schichten am Amazonas bestehen aus einer Mischung von Holzkohle, Exkrementen, Knochen und organischen Abfällen, durchsetzt mit Tonscherben – wahrscheinlich Überreste von riesigen Tongefäßen, in denen Siedlungsabfälle zu fruchtbarem Dauerhumus für Hochbeete umgewandelt wurde. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Milchsäurefermentierung, wie sie seit Jahrtausenden zur Nahrungskonservierung genutzt wird – Beispiel Sauerkraut.

Das kann Terra Preta
Schwarzerde kann Kunstdünger, Pestizide und Gentechnik ersetzen und damit perspektivisch die Macht der Agrokonzerne wie BASF oder Monsanto von unten aushöhlen. Terra-Preta-Böden erschöpfen nicht, sondern können sogar nachwachsen. Sie sind gut durchlüftet, halten das Wasser viel besser, Nährstoffe waschen nicht aus. In Terra Preta wachsen kerngesunde Pflanzen. Warum? Das erste Geheimnis ist Holzkohle. Die schwammartige poröse Struktur der Biokohle speichert Wasser und Nährstoffe. In ihren Hohlräumen – und das ist das zweite Geheimnis – siedeln sich komplexe Lebensgemeinschaften von Mikroorganismen an. Besonders wichtig sind milchsäurebildende Mikroorganismen. Der Effekt wird in der Landwirtschaft auch durch die aus Japan stammenden „Effektiven Mikroorganismen“ (EM) zur Bodenverbesserung genutzt. Für Terra Preta wird zuerst eine Holzkohlen-Sillage (auf Japanisch „Bokashi“) durch milchsaure Vergärung von organischem Material hergestellt (Küchenabfälle, Stroh, Dung, menschlicher Kot). Die gewonnene Substanz dient als willkommenes Futter für Regenwürmer und anderes Getier, zum Dank scheiden sie schwarze Erde aus. Terra Preta ist im Prinzip auf jedem Balkon, in jedem Kleingarten und in jeder Komposttonne herstellbar. Erwerbslose und Hartz-IV-Empfängerinnen könnten diese Schwarzerde und eigene Lebensmittel erzeugen. Überall, wo Menschen leben, kann Terra Preta die Landnutzung in diesem Jahrhundert revolutionieren.

Hier gibt es Terra Preta
Auf Versuchsböden in Brasilien wuchsen Bananenstauden bis zu fünf Meter pro Jahr, im rheinland-pfälzischen Hengstbacherhof wurden Rote-Beete-Köpfe so groß wie Handbälle. Die Qualität des dort hergestellten Terra-Preta-Substrats stellt nach einer Analyse des Landauer Instituts für Umweltwissenschaften die von Torf und herkömmlichem Kompost weit in den Schatten.
In der weltweit ersten Schwarzerde-Herstellungsanlage, die wie ein größeres Gewächshaus aussieht, sollen demnächst jährlich rund 50.000 Kubimeter Terra Preta für Profilandwirte und Hobbygärtner produziert werden. Geschäftsführer Joachim Böttcher aus Hengstbacherhof sieht sich „Fairness, Transparenz und Nachhaltigkeit“ verpflichtet und plant unter anderem die Gründung einer Schwarzerde-Genossenschaft. (Hier ist er zu sehen in einem SWR-Film) Die Universitäten von Berlin, Bayreuth und Leipzig, Landwirte im Chiemgau und im österreichischen Kaindorf sowie Biowinzer in der Schweiz experimentieren bereits mit Terra Preta. Weitere Infos unter www.triaterra.de oder bei den Chiemgauern.

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Biologisch abbaubarer Modellstaat

21. März 2010 by Ute Scheub

Auf der polynesischen Insel Moorea soll ein biologisch abbaubarer Öko-Modellstaat entstehen. In der taz habe ich mich mit den InitiatorInnen Roti Make und Eric Bihl unterhalten.

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