Keller, Kühltruhen, Katakomben
Leichen im Keller – was für eine Untertreibung in diesen Tagen. Allenthalben öffnen sich Keller, Kühltruhen und Katakomben, aus denen nacktes Grauen steigt. In Amstetten lebte ein Opa seine perverse zweite Identität im Dunkel seines Vergewaltigungskeller aus; in Wenden im Sauerland suchte ein 18-jähriger nach Pizza und fand drei Babyleichen in der elterlichen Tiefkühltruhe; im kalifornischen Sacramento bewahrte ein Mann rund 300 Katzen in den Gefriertruhen seines Wohnhauses auf, womöglich für den Kochtopf. Und würde das alles nicht schon den Tatbestand von mindestens einem, wenn nicht drei Untergängen des Abendlandes erfüllen, hat sich nun auch durch Aktivitäten irgendwelcher Grabschnüffler und Gruftbuddler herausgestellt, dass die Ruhestätte unseres Nationaldichters keineswegs das enthielt, was der Grabstein versprach, nämlich einen Schiller. Und schon gar nicht einen vollständigen. Sondern zwei Schädel undefinierbarer Herkunft mitsamt undefinierbaren Knöchelchen. Vielleicht waren gar Katzenellbogen oder Rattenbeinchen dabei? Es ist nur noch grauenhaft. Aber das Seltsame ist: Der Himmel blaut, die Tulpen leuchten, und beim Italiener schmeckt das Erdbeereis immer noch so gut, dass die Sonne vor Lust dahinschmilzt.
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Der Wahnwitz der Welt (7)
Thomas Beatie, 34-jähriger US-Amerikaner aus dem Staate Oregon, ist inzwischen im sechsten Monat schwanger. Er freue sich zusammen mit seiner Ehefrau Nancy sehr auf das Kind, verriet er einem Schwulen-Magazin. „Ich werde der Vater meiner Tochter sein, Nancy die Mutter. Eine normale Familie.“
So normal, dass die gesamte Weltpresse über den Transsexuellen berichtete. Thomas Beatie wurde als Frau geboren und entschloss sich vor mehreren Jahren, sich zum Mann zu wandeln. Er schluckte das männliche Sexualhormon Testosteron, ließ sich die Brüste entfernen und einen schütteren Bart wachsen. Nur Eierstöcke und Gebärmutter blieben.
Als Ehefrau Nancy, mit der er seit zehn Jahren zusammenlebt, wegen einer Totaloperation keine Kinder bekommen konnte, entschloss sich ihr Gatte, diese Aufgabe zu übernehmen. Nach einer künstlichen Befruchtung wurde er mit Drillingen schwanger, verlor sie aber nach einer „lebensbedrohlichen Situation“. Diesmal aber verlaufe alles ohne Komplikationen, so Thomas Beatie. Das Kind soll im Juli zur Welt kommen.
Dräut hier eine Revolution der Geschlechterverhältnisse? Verlieren wir Frauen nun unsere letzte Bastion der Weiblichkeit? Nachdem die Männer die letzte Bastion der Männlichkeit verloren, indem sie zu Sitzpissern wurden? Ach was. Und noch nicht mal der erste Fall eines schwangeren Mannes. Schon mehrfach waren transsexuelle Männer guter Hoffnung, bloß hatten sie keine Lust, in der Weltpresse als Monstren breitgetreten zu werden.
Aus den medizinischen Akten Bayerns ist noch ein anderer kurioser Fall bekannt. Im vorletzten Jahrhundert schwoll der Bauch eines älteren Mannes plötzlich an. Die alarmierten Ärzten fanden einen Embryo in der Bauchdecke: Es war die Zwillingsschwester des Mannes. Die beiden waren im Bauch ihrer Mutter zusammengewachsen, das Mädchen hatte sich nicht weiterentwickelt, der Junge wurde ganz normal geboren. Aus unbekannten Gründen fing der in seinem Bauch versteckte Schwester-Embryo im Alter plötzlich an zu wachsen.
Der Wahnwitz der Welt (6)
Ministerium für Wahrheit und Liebe in Afghanistan
Karim Khoram hat sich als afghanischer Minister für Information, Kultur und Tourismus einen Namen gemacht. Und was für einen! Halb Afghanistan lacht über diesen Minister-ohne-jede-Information-und-Kultur, seit er an seinem Ministerium die Schilder auswechseln ließ. Der Paschtune hatte die Wörter für „Kultur“ und „Tourismus“ in der afghanischen Verkehrssprache Dari für persische Lehnwörter gehalten und deshalb ausmerzen lassen. In Afghanistan spricht man Dari und nicht Persisch!, ließ er verkünden. Dabei weiß jedes afghanische Kind, sofern es die Chance eines Schulbesuches hat, dass Dari und Farsi (Persisch) zwei Dialekte ein und derselben Sprache sind. In Khorams Muttersprache Paschtu gibt es allerdings tatsächlich kein Wort für Kultur, und das sei angesichts solcher Ausgeburten wie Khoram ja auch kein Wunder, höhnt man nun auf afghanischen Websites (siehe auch www.kabulpress.org).
Schon weit weniger witzig ist, dass unter „Informations“minister Khoram immer mehr Journalisten aus den abenteuerlichsten Gründen verfolgt werden. In Masar-i-Scharif ließ der Minister den Fernsehdirektor, den Pressedirektor und einen lokalen Fernsehjournalisten entlassen, weil sie die Wörter „Student“ und „Universität“ auf persisch geschrieben bzw. gesprochen hatten. Der jüngste Fall ist besonders krass: Im Januar verurteilte ein Gericht in der Provinz Balkh den 24-jährigen Journalisten Parwiz Kambakhsh zum Tode, weil er islamkritische Artikel verteilt habe. Das Verfahren war nach Einschätzung verschiedener Menschenrechtsorganisationen extrem unfair und ein Fall von Sippenhaft: In Wirklichkeit sollte offenbar sein Bruder getroffen werden, Berichterstatter des in London ansässigen „Institute for War and Peace Reporting“. Der Minister selbst ließ erklären, das Verfahren sei keineswegs ein Verstoß gegen die Pressefreiheit. So etwas lässt sich leicht behaupten, wenn man nicht die mindeste Ahnung hat und auch nicht haben will, was Pressefreiheit überhaupt bedeutet.
Um die kulturellen Kenntnisse von „Kultur“minister Khoram ist es ähnlich bestellt. Ein engagierter Sammler von Fundstücken der früheren hochentwickelten Kulturen in Afghanistan wollte seine kostbaren Schätze in der Zitadelle von Herat ausstellen, doch der Minister verbot es ihm mit dem Argument, er habe durch seine Aufkäufe von Antiquitäten Plünderer unterstützt. Ein typischer Fall von Projektion: Khoram ist Mitglied der radikalislamistischen Partei Hisb-e-Islami. Deren langjähriger Führer Gulbuddin Hekmatyar gilt als einer der schlimmsten Massenmörder Afghanistans, während des Bürgerkriegs der Mudschaheddin war er und seine Partei mitverantwortlich für Massaker und Massenvergewaltigungen, für die Zerstörung Kabuls mit rund 60.000 Toten und die Plünderung seiner Kulturschätze.
Und so einer ist also heute Minister für Desinformation und Unkultur. Entschuldigung, das darf man natürlich nicht sagen. Wie wäre es denn – eingedenk des „Ministeriums für Wahrheit“ in Orwells berühmten Roman „1984“ – mit „Minister für Wahrheit und Liebe“?
P.S.: Übrigens hat der famose Minister auch eine Galerie in „Gallery“ umbenennen lassen, weil er das Dari- bzw. Farsi-Wort „Negarestan“ (Bilder-Ort) für „unislamisch“ hielt. Das englische Wort „Gallery“ ist also islamisch? Wenigstens diese absurde Entscheidung hat das afghanische Kabinett inzwischen aufgehoben.
Krude Biologismen im Deutschlandradio
Normalerweise bin ich ein großer Fan von Deutschlandradio Kultur: www.dradio.de. Ich bin sehr dankbar, dass es noch ungedudelte Sender gibt, in denen Journalisten tatsächlich noch einige Minuten am Stück sprechen und Zusammenhänge schildern dürfen, ohne wegen Verhinderung von Werbespots verhaftet zu werden.
Nun aber haben mir in den letzten Tagen gleich zwei Beiträge wirklich die Schuhe ausgezogen. Der eine war ein Interview, das die Moderatorin Katrin Heise am 4.12. mit dem Bildungsforscher Rindermann führte. In diesem Interview vertrat dieser sogenannte Wissenschaftler die Meinung, es gebe genetisch bedingte Intelligenz-Unterschiede zwischen den „Rassen“, afrikanische Buschmänner seien dümmer als Weiße und Asiaten. Trotz einiger halbherziger Relativierungsversuche plapperte Herr Rindermann im Grunde den rassistischen Unsinn nach, den der US-Genetiker James Watson vor kurzem verbreitet hatte. Mir ist vollkommen rätselhaft, warum ein seriöser Sender wie Deutschlandradio sich ausgerechnet einen Mann als Interviewpartner aussucht, der – unkorrigiert von der Moderatorin! – mit einem „Rasse“-Begriff hantiert, der sich in Nazi-Nähe befindet und auch von den Naturwissenschaften längst wiederlegt wurde. Evolutionsgenetiker wie Luca Cavalli-Sforza haben immer wieder darauf hingeweisen, dass es „nur eine Rasse gibt – die menschliche“. Die Unterschiede in Hautfarben und Gesichtsformen sind höchst oberflächlich, und die genetischen Unterschiede innerhalb einer Ethnie sind viel größer als die zwischen den Ethnien.
Der zweite Beitrag von Kristin Raabe trug den Titel „Althergebrachte Muster – warum Menschen Kriege führen“, lief am 18.12. unter „Forschung aktuell“ und war auf der Website nachlesbar. Ich habe selten einen Text gelesen, in dem auf so wenig Raum so viele unhaltbare Thesen und ideologische Vor-Annahmen dargeboten wurden. Das fängt schon mit dem Bildchen über dem Artikel an: eine explodierende Rakete, darunter der apologetische Satz „Krieg liegt den Menschen im Blut“. Sodann erfahren wir, dass der israelische Wissenschaftler Azar Gat angeblich herausbekommen hat, in der Steinzeit seien viel mehr Männer gestorben als in heutigen Kriegen, sie hätten, ähnlich wie Tiere, vor allem um Nahrung und Zugang zu Frauen gekämpft. Auch im Zweiten Weltkrieg hätte „die Aussicht auf Sex viele Rekruten erst in die Armee“ gelockt. Und wo es viele junge Männer gäbe, da gäbe es halt Gewalt.
Im Grunde könnte ich jeden Satz dieses Artikels zerpflücken, aber dafür ist mir meine Zeit zu schade und der Aufwand zu groß. Jedenfalls hat sich die Autorin nicht die geringste Mühe gegeben zu reflektieren, was sie da überhaupt schreibt. Es gab in der Geschichte der Menschheitsentwicklung viele hunderttausend Jahre ohne Krieg – nicht jeder Kampf zwischen Menschengruppen ist gleich Krieg! – , und auch heute noch existieren vollkommen friedliche Stammesgesellschaften – nachlesen unter www.peacefulsocieties.org, einer Website, die von der US-Friedensforscherin Elise Boulding initiiert wurde.
Der Wissenschaftler und die Redakteurin wollen uns weismachen, dass Kriege unvermeidlich und junge Männer nur auf Gewalt und Vergewaltigung aus sind. Kriege Das ist durch und durch männerfeindlich und menschenfeindlich. Aber es erspart natürlich die mühsame ethnologische, politische und sozioökonomische Analyse, welche menschliche Interessensgruppen wann, wo, wie und warum Kriege betrieben haben.
Aufruf an die Bundesregierung
Deutscher Frauensicherheitsrat, Womnet, Forum Menschenrechte und Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie in der Heinrich-Böll-Stiftung fordern anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen:
Die Bundesregierung muss Druck ausüben, damit Kriegsverbrecher in Afghanistan bestraft werden
Straflosigkeit zerstört Gesellschaften von innen
Die Situation in Afghanistan verschlimmert sich immer mehr. Die Sicherheitslage ist katastrophal, Gewalt, Armut und Verelendung greifen um sich. Beim deutschen Engagement in Afghanistan spielen militärische Aspekte die Hauptrolle, während der zivile Aufbau genauso ins Hintertreffen gerät wie die Debatte über die Ursachen der Verzweiflung in der Bevölkerung. Dabei ist ein Grund mit Händen zu greifen: das Amnestiegesetz, das die Regierung unter Präsident Hamid Karsai im März 2007 erlassen hat. Allen Kriegsverbrechern der letzten 28 Jahre, ob innerhalb oder außerhalb der Regierung, wurde Straflosigkeit garantiert. Um die Ungeheuerlichkeit dieses Gesetzes zu kaschieren, ließ Karsai es in einem Punkt ändern: Privatpersonen dürfen nunmehr vor Gericht Anklage gegen Kriegsverbrecher erheben. Wer aber als Privatperson wagt, die mächtigen Warlords und Drogenbarone herauszufordern, riskiert sein Leben. Und viele Richter sind entweder korrupt oder fundamentalistisch eingestellt oder sie sind nicht vorhanden – von vielen ist keine Hilfe zu erwarten. Die zahllosen Massenvergewaltigungen und anderen Kriegsverbrechen, die die heute in der Regierung sitzenden Warlords der „Nordallianz“ begangen haben – zum Beispiel die Zerstörung von Kabul und die Tötung von rund 65.000 Menschen Anfang der 90er Jahre – werden auf diese Weise ungesühnt bleiben. Für die afghanischen Frauen, in deren Namen angeblich das Land befreit wurde, ist das besonders schlimm.
Wir fordern die Bundesregierung dringend auf, politischen Druck auf die Regierung Karsai auszuüben, damit der Skandal der Straflosigkeit ein Ende findet. Der gepeinigten Bevölkerung raubt er die Hoffnung auf Gerechtigkeit und auf Veränderung ihrer Lage. Straflosigkeit belohnt Verbrecher und Verbrechen. Straflosigkeit lädt dazu ein, weitere Verbrechen zu begehen. Straflosigkeit zersetzt jede Moral. Straflosigkeit beschleunigt und vervielfacht den Zyklus der Gewalt. Straflosigkeit nimmt den Opfern jede Lebenskraft und zerstört ihre Identität. Das gilt ganz besonders, wenn es um Akte sexualisierter Kriegsgewalt ging.
Gerade wir Deutschen sollten hier eine besondere Sensibilität und Verantwortung zeigen. Zahllose Nazi-Täter durften in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit ungestraft ihre Beamtenkarrieren fortsetzen, während die überlebenden Opfer vergeblich darauf warteten, dass das ihnen angetane Unrecht endlich öffentlich anerkannt würde. Viele Verwerfungen der Nachkriegsgeschichte, unter anderem den RAF-Terrorismus, kann man ohne diese Straflosigkeit nicht verstehen.
Zudem verletzt das Amnestiegesetz die afghanische Verfassung oder zumindest ihren Geist. In Artikel 3, § 72 ist geregelt, dass politische Ämter nur von Personen ausgeübt werden dürfen, die einen „guten Ruf“ haben und nicht „wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verurteilt worden sind. Davon kann bei den Warlords keine Rede sein.
Die Bundesregierung ist eine der wichtigsten internationalen Geldgeber in Afghanistan, sie hält wirksame Druckmittel in der Hand. Wir fordern sie dringend auf, alles für ein Ende der Straflosigkeit zu tun. Das Amnestiegesetz muss fallen, die Justiz muss aufgebaut und demokratisiert werden, die Rechte der Menschenrechtskommission müssen gestärkt werden, es muss ein echter Wahrheitsfindungs- und Versöhnungsprozess in der Gesellschaft begonnen werden. Den Warlords darf es nicht länger erlaubt sein, die Zukunft des Landes zu kidnappen.
Diese Erklärung, unterzeichnet vom Frauensicherheitsrat, Womnet, dem Forum Menschenrechte und dem Gunda-Werner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung, wurde heute an Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier geschickt.
Nähere Informationen über die Organisationen unter www.frauensicherheitsrat.de, www.glow-boell.de, www.womnet.de und www.forum-menschenrechte.de.
Ent-rüstet euch: 1325 verwirklichen!
Mit 1, 3, 2 und 5 Knoten im Taschentuch erinnert der Frauensicherheitsrat die Bundesregierung an ihr Versprechen, UN-Resolution 1325 endlich zu verwirklichen. Die Resolution, die die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen auf allen Ebenen von Friedensprozessen fordert, wurde am 31.10.2000 einstimmig vom UN-Sicherheitsrat verabschiedet. Im „verflixten siebten Jahr“ ist die Resolution nach Einschätzung des Frauensicherheitsrats noch weniger umgesetzt worden als in den Jahren zuvor.
Auch für das kommende achte Jahr sieht der Frauensicherheitsrat mehr als genug Handlungsbedarf. Einen Anlass zur Ent-rüstung im wahrsten Sinne des Wortes ist die Absicht des Direktors der Europäischen Rüstungsagentur, 2008 zum „Jahr der Rüstung“ zu machen. Alexander Weis, früher Abteilungsleiter im deutschen Verteidigungsministerium, plant nach einem Bericht der FAZ vom 24.Oktober, mit dem Bau von Militärhubscharaubern und Aufklärungssatelliten zwei große europäische Rüstungsprojekte zu verwirklichen. Ein Vorhaben, das jeder demokratischen Legitimation und Kontrolle entbehrt. Der Frauensicherheitsrat fordert, die dafür vorgesehenen Gelder auf Projekte zur Konfliktprävention und zur Gleichstellung von Frauen und Männern umzuverteilen, um Resolution 1325 auch auf europäischer Ebene zu verwirklichen. Europäische AktivistInnen und PolitikerInnen verschiedener Couleur haben sich auf der vom Frauensicherheitsrat und der Heinrich-Böll-Stiftung organisierten Konferenz „Roadmap to 1325“ im Mai 2007 in Berlin für diese Verwirklichung starkgemacht.